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Interpretationen des Dipl. Psychologen Dr. Ulrich Kobbé
zu einigen Werken des Bildhauers Lothar Michael Vollmar

 

"Hoffnung" (Vereingung)

Da Liebe nicht ohne Hass, Glück nicht ohne Leid, Identität nicht ohne Unterschied möglich sind, trägt Hoffnung - wenn gleich in unentrinnbarer Ambivalenz, in widdergleicher Zwienatur: Von tragos, dem Bock, als Leittier der Herde bis hin zum sakralen Opfer, zum Bocksgesang der griechischen Tragödie. In der Verkörperung von Zeugungskraft und Sonnenenergie mythologisches Attribut von Sonnen- und Mondgöttern. Jedoch als monströs-nackter Ziegen-Pan ebenso göttlich/heilig wie auch lüstern-orgiastische Inkarnation des bocksgestaltigen Teufels.
So wird der Mensch in panischer Angst gehalten, die Welt in labiler Balance von Gut und Böse getragen, wurzelt Sehnsucht in der Umarmung der Rassen, entsprießt vereinigten Menschengeschlechtern die Zuversicht. Als Hoffnung auf Frieden, die sich nur mutig emporrecken, dem Schicksal aufopfernd die Brust darbieten kann. Entschlossen. Sanftmütig. Taubengleich... 

 Lothar Vollmar - gib acht!

 "Gib acht!"

Straßauf straßab bietet sich Kröte der Liebe folgend dem Verkehrstod an, prostituiert sie sich dem Verkehr und gibt sich Frosch am Straßenrand dirnenhaft seiner Tödin* preis. Schrei, so lange Du kannst, biete ihnen die Stirn und reck' Dich promisk - die Brust entblößend - ein letztes Mal empor! Denn: Nur der wahrnehmbare Protest denunziert die automobile Gesellschaft in ihrer autoritär-lebensfeindlichen Charakterstruktur, ja, ihrer rücksichtslos-möderischen Egozentrik.

* J. Cocteau 1962: Le Requirm, troisième pèriode. In: Spiegelschriften. Frankfurt a.M. 1988, S. 130-180

 Lothar Vollmar - Zuchtstation

 "Zuchtstation"

Gehäutet, skalpiert des narbig schützenden Panzers beraubt, trägt auch das ungebändigte Kroko sein Schicksalsleder, sein Haut-Ich zu Markte.* Slbst wenn fürsorgende Aufzucht in ausbeuterische Zucht und Züchtigung umschlägt, verhallt der gellende Schrei ungehört.

* P. Bamm 1956: Das Schicksalsleder. In: Ex ovo. München/Zürich 1968, S. 13-19
  D. Anzieu 1991: Das Haut-Ich. Frankfurt a.M.

"Trauriges Leben"

Das Ei. Ursprünglich. Makellos schön. Perfekt geformt. Optimal geschützt. Und doch: Als Symbol der Schöpfung, des Ursprungs, des Lebens gefährdet. Bedroht vom Hauch des Todes. Bewehrt mit der Maske der Scham. Atemlos erstarrt in Beklemmung und Umbänderung. Chancenlos gegenüber Mensch, Umwelt, Verschmutzung?

 Lothar Vollmar - Tiertransport

"Tiertransport"

Trotz des fernfahrerlässig ins Seitenfenster gestützten Ellenbogens, entlarvt sich der flüchtige Charme dieser Fahrt schnell als ethisch-moralischer Skandal. Wer vermag das Paradoxon zu erklären, daß Pferde
millionenkilometerweit transportiert werden, als könnten sie nicht selber laufen,
um auf der Odyssee vieltausendfach artfremd gepfercht, mißhandelt, depriviert, entwürdigt zu werden,
dabei qualvoll verdurstend oder panikattackiert unterwegs den Transporttod zu erleiden
oder dem Fleischhauer gegenüberzutreten, um metzgertechnisch versiert, angeblich schmerz- und angstfrei einen anonymen, schnellen Schlachthoftod zu finden?